Frage      Jesus Wundertaten
Die Menschen im Römischen Reich, außerhalb der großen Metropolen, waren größtenteils kaum gebildet. Sie waren unkritisch und in ihrem entbehrungs- reichen Leben beseelt von der Hoffnung auf eindrucksvolle Wunder. Die Sehnsucht danach war in der religiösen Landschaft jener Zeit allgegenwärtig.

Immer wieder sollen Heilige, aber auch Nicht-Heilige Kranke geheilt, Tote zum Leben erweckt, Nahrung vermehrt, Wetter und Elemente beeinflusst und Dämonen besiegt haben. Das gilt für Herakles, Dionysos, Buddha, Pythagoras und Apollonios genauso wie für Jesus.

Schon lange vor dessen Erscheinen hatte jede Religion versucht, ihre Lehren mit beeindruckenden Zaubereien zu "beweisen". In der antiken Literatur gibt es Vorläufer zu allen biblischen Wundern.

Der griechische Geograph und Historiker Strabon (63 v. Chr.-23) schrieb zur Zeitenwende: "Weiber und niederes Volk muss man durch Fabeln und Wundergeschichten zur Gottesfurcht bringen."

38 Wunder soll Jesus den Überlieferungen der Evangelisten zufolge vollbracht haben, wobei die Hälfte von nur jeweils einem erwähnt wird. Zudem unterscheiden sich die Wundertaten teilweise erheblich voneinander.

Jesus hatte in den drei ersten Evangelien seine Jünger ausdrücklich dazu aufgefordert, Kranke zu heilen (z.B. Lk 9,1). Ob sie es taten, weiß niemand.

Die Kirche jedenfalls nahm diesen Jesusauftrag nie ernst, von einigen selbstlosen Gottesdienern einmal abgesehen. Was sollte sie sich um Kranke kümmern? Sie brauchte Gläubige!

Jesus heilte einen Aussätzigen und bat ihn anschließend, niemandem davon zu erzählen, (Lk 5,15) "aber die Kunde (...) breitete sich immer weiter aus, und es kam eine große Menge zusammen, zu hören und gesund zu werden von ihren Krankheiten." Eine solche Reaktion ist nur verständlich und würde sich heute genauso abspielen.

Aber anstatt, dass der barmherzige Jesus die Gelegenheit ergriffen und eine größere Anzahl Kranker von ihrem Elend befreit hätte, zog er (Lk 5,16) "sich zurück in die Wüste und betete." War er sich zu fein, ein paar Stündchen zu heilen. Oder könnte es sein, dass er vor der Menge flüchtete, weil er gar nicht heilen konnte?

Wie bei allen Mystikern waren auch bei Jesus nicht die Heilung Kranker oder die Auferweckung Verstorbener vorrangiges Ziel der Wundertat, sondern Selbstbestätigung und Machtdemonstration.

Wäre es ihnen wirklich um die Menschen gegangen, hätten er und seinesgleichen Zelte aufgestellt und Tag für Tag die Leidenden von ihren Schmerzen befreit.

In einer Zeit, in der die ohnehin rudimentäre medizinische Versorgung nur wenigen Privilegierten zugänglich war, hätte wahrlich genug Bedarf bestanden.Epileptiker vor staunendem Publikum zu "heilen", war wahrscheinlich die leichteste Nummer für antike Wundertäter. Auch Jesus ist dieses Kunststück gelungen, als ein Mann seinen Sohn zu ihm brachte (Mk 9,17-18): "Meister, ich habe meinen Sohn hergebracht zu dir, der hat einen sprachlosen Geist. Und wo er ihn erwischt, reißt er ihn; und er hat Schaum vor dem Mund und knirscht mit den Zähnen und wird starr."

Wir lesen hier in der Bibel das typische Krankheitsbild eines Epileptikers. Doch trotz Verwandtschaft mit dem Schöpfer der Menschen wusste Jesus keine Erklärung dafür und heilte den Jungen einfach, indem er ihn anschrie (Mk 9,25): "Du sprachloser und tauber Geist, ich gebiete dir: Fahre von ihm aus und fahre nicht mehr in ihn hinein!"

Wie wir alle wissen, dauert ein epileptischer Anfall in der Regel nicht lange und der Kranke erscheint danach wieder weitgehend normal. Ein unbedarfter Beobachter hätte also annehmen können, der Kranke sei von seinem Leiden befreit. Bis man dann feststellte, dass die Heilung nicht von Dauer war, befand sich der Wohltäter schon im nächsten Ort.

Solche Bibelpassagen sind besonders verhängnisvoll, weil sie durch alle Jahrhunderte hindurch als einziges Erklärungsmodell für Geisteskrankheit gedient und den Umgang damit in problematischer Weise beeinflusst haben. Noch heute ist die Vorstellung "geisteskrank gleich böse und aggressiv" gesellschaftlich lebendig, wenn auch unterschwellig.

Eine 1982 im Rahmen einer Forschungsarbeit durchgeführte Studie über das Bild von Geisteskranken in der Trivialliteratur belegt die Auswirkungen solchen Teufels- und Dämonenglaubens bis in die heutige Zeit. Auch die im Teufelswahn der Bibelverkünder geborene Hexenverfolgung war die Frucht dieses von Jesus autorisierten Umgangs mit angeblich bösartigen Geistwesen.

Wie so oft kennt die Bibel auch zu diesem menschlichen Phänomen weder tröstende Worte noch barmherziges Verständnis. Vielmehr straft sie geistig erkrankte Menschen mit verbaler Herabsetzung und Verunglimpfung.

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©Johannes Maria Lehner
 
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