Im Körper oder im Geist auferstanden? |
Einem kritischen Leser fällt die Unsicherheit der Evangelienschreiber darüber auf, ob Jesus nun leibhaftig oder geistig auferstanden war. Während die Jünger den Auferstandenen so undeutlich wahrnahmen, dass man an eine spirituelle Erscheinung denken könnte, bestand Jesus immer wieder auf seine körperliche Anwesenheit (Lk 24,39): "Fasst mich an und seht; denn ein Geist hat nicht Fleisch und Knochen." Er forderte die Jünger auf, ihn anzuschauen und aß mit ihnen gemeinsam gebratenen Fisch. Angeblich hinterließ er sogar Fußspuren, die man nach den Beteuerungen des Kirchenlehrers Beda noch im 8. Jahrhundert gesehen haben will. Bei Johannes ist der Auferstandene ein physischer Körper, aber auch ein blutleerer Geist. Einerseits ist er so sehr Leib, dass der Jünger Thomas seinen Finger in ein Wundmal legen kann, andererseits auch so gespenstisch, dass er vor Maria Magdalena durch die Tür schwebt. Schon die Evangelisten hatten also Mühe, den Wesenszustand eines Auferstandenen zu beschreiben.
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Bei Johannes, dem jüngsten Evangelienschreiber, hat Jesus sogar noch die Macht über seinen eigenen Tod gewonnen. Mehr und mehr wird er zu einem Gott, der sein Leben frei hergeben und "wiedernehmen" kann (Joh 10,18): "Niemand nimmt es von mir, sondern ich selber lasse es. Ich habe Macht, es zu lassen, und habe Macht, es wiederzunehmen." Trotz aller Zweifel bezeugen die Evangelisten im Grunde eine fleischliche Wiederkunft und erwarten Jesus als menschlichen Herrscher, der körperlich in das Geschehen der Welt eingreifen wird (Mt 28,18): "Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden." Erst Paulus, enttäuscht vom jahrzehntelangen Warten und unter dem Einfluss gnostischer Ideen vom gefangenen Geist im sündhaften Körper, spricht nur noch von einem geistigen Leib, der aufsteigt (1. Kor 15,44): "Es wird gesät ein natürlicher Leib und es wird auferstehen ein geistlicher Leib." |
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©Johannes Maria Lehner |
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