Frage      Wer schrieb das Neue Testament?
Das Kernstück des Neuen Testaments ist die Lebensgeschichte Jesu, die in vier kurzen Evangelien - und nur dort - viermal von Anfang bis Ende erzählt wird. Geschrieben haben diese Texte vier unbekannte Männer, denen die spätere Kirche folgende Namen gegeben hat: Matthäus, Markus, Lukas und Johannes.

Der Ursprung ihrer Erzählungen ist im Dunkel der Geschichte verborgen und ihre Überlieferungen sind durch unzählige redigierende Hände gegangen. Ihre Inhalte sind widersprüchlich und ungenau.

Jesus selbst hat nichts aufge- schrieben, was uns überliefert ist, obwohl er zweifellos lesen und schreiben konnte. Sonst hätte er kaum im Tempel mit den Priestern über die alten Schriften diskutieren können. Ein gebildeter und weitblickender Mensch hat uns nicht eine einzige Zeile seiner angeblich so heilsbringenden und die Welt bewegenden Botschaft hinterlassen. (Siehe auch die Links über Jesus.)

Es kommt noch bitterer! Auch Zeitgenossen, die ihn gekannt haben müssten, die ihn beim Wundertun oder am Rednerpult hätten sehen können, haben keine einzige Zeile über ihn hinterlassen. (Siehe auch den Link "Hat Jesus wirklich gelebt?")

Wir wissen von diesem Jesus also nur aus den Evangelien und aus ein paar Briefen, alle geschrieben Jahrzehnte nach seinem Tod. Und zu guter Letzt haben auch die Autoren dieser Evangelien und Briefe selber Jesus nie gesehen!

Sie waren mit Sicherheit auch nicht im Besitz authentischer Schriften, die auf Jesus selber zurückgeführt werden konnten und die vielleicht durch bevollmächtigte Apostel oder Führer weitergereicht wurden, denn sonst wären nicht von Anfang an unzählige wichtige Fragen unter den Evangelienschreibern und den Christenführern vehement diskutiert worden und widersprüchliche Ansichten im Umlauf gewesen.

Auch die Autoren der Evangelien betrachten ihre Schriften nicht als historisch zuverlässige Quellen, sondern als Erbauungstexte für christliche Gemeinden.

Hätten sie als Augenzeugen das Leben und Wirken Jesu beschrieben, hätten sie ihre eigene Anwesenheit als Beweis für die Echtheit der Berichte angeführt.

Der Heidelberger Neutestamentler Christoph Burchard schreibt deshalb: "Kein Augen- und Ohrenzeuge spricht noch direkt zu uns."

Die Evangelien waren in den ersten hundert Jahren unserer Zeitrechnung alles andere als heilig. Sie waren Schriften wie viel andere auch und es bestand gar kein Anlass, nicht zu korrigieren, nichts hinzuzufügen, nichts zu ergänzen oder zu kürzen. Wer überhaupt Abschriften besaß, benutzte sie in erster Linie, um Ungläubige zu überzeugen. Was lag also näher, als sie dem eigenen missionarischen Anliegen anzupassen und sie entsprechend auszuschmücken?

Es bestand zudem eine permanente Nachfrage nach Schriften, die in den neu gegründeten Christengemeinden vorgelesen werden konnten. Das ermunterte leider auch zu Fälschung und Verdrehung, wodurch die alten Texte ein zusätzliches Glaubwürdigkeitsproblem erhielten.

Die Annahme, die Bibelmacher hätten eine tiefe Erfurcht gegenüber den frühchristlichen Texten empfunden und sie nur wortgetreu übertragen, ist falsch. Das Gegenteil war der Fall! Die ersten Schriften der Christen waren keine religiösen Texte wie die des Alten Testaments, sondern theologische Werbebotschaften.

Warum hätten ihre Schreiber nicht hinzufügen, streichen oder verbessern sollen? Der emsig missionierende Paulus selbst gab unverhohlen zu (Röm 3,7): "Wenn aber die Wahrheit Gottes durch meine Lüge herrlicher wird zu seiner Ehre, warum sollte ich dann noch als ein Sünder gerichtet werden?" Die Schriften sollten mitreißen und überzeugen, mehr nicht.

Erst im Mittelalter, als der Inhalt der Bibel endlich festgeschrieben und die Kirche mächtig genug war, ihn mit Waffengewalt und grausamen Strafen zu verteidigen, begann man, das Buch der Bücher buchstabengetreu zu kopieren.

Niemand dachte zudem daran, die Texte in einem großen biblischen Werk zusammenzufassen. Warum auch? Die Urchristen waren vom nahen Weltgericht und der baldigen Wiederkunft Jesu so sehr überzeugt, dass sie die Ausrufung des Reiches Gottes noch zu ihren Lebzeiten erwarteten. (Siehe dazu den Link "Jesus Wiederkehr ...") Wozu sich also um Texte sorgen, die sowieso bald bedeutungslos sein würden?

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©Johannes Maria Lehner
 
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