Frage      Jesus war kein Vegetarier
Alle möglichen Interessengruppen durchstöbern die Bibel immer wieder gern nach Argumenten für ihre persönliche Weltanschauung. So meinen etliche Vegetarier, der christliche Glaube sei eigentlich ein Aufruf gegen das Fleisch essen und Jesus müsse einfach Vegetarier gewesen sein. Leider stimmt bei genauerem Hinsehen weder das eine noch das andere.

Häufig zitiert wird dabei Mose, der sonst eher barbarische Gesetze erließ und blutige Tieropfer forderte (1. Mose 1,29): "Hiermit übergebe Ich euch alle Pflanzen auf der ganzen Erde, die Samen tragen, und alle Bäume mit samen- haltigen Früchten. Euch sollen sie zur Nahrung dienen ."

Dabei verschweigen Vegetarier gern, dass Mose ein paar Seiten weiter präzisierte (1. Mose 9,3): "Alles was sich regt und lebt, das sei eure Speise."

Gott erlaubt nicht nur den Verzehr von Tieren, er beschreibt Mose sogar ganz detailliert, welche Tiere er und sein Volk verspeisen dürfen (3. Mose 11,2): "Dies sind die Tiere, die ihr essen dürft ..."

Besonders häufig verlangt der Gott der Bibel - und zwar in beiden Testamenten - das Darbringen von Tier- und Speiseopfern. Im 3. Buch Mose wird sogar in haarsträubenden Einzelheiten (mit annähernd 10'000 Worten) beschrieben, wie Priester die Tiere zu schlachten und deren Blut am Altar zu verspritzen haben, (3. Mose 1,9) "zum lieblichen Geruch für den Herrn." Die Bibel taugt definitiv nicht als Recht- fertigung gegen das Töten von Tieren!

Dass Gott kein Freund der Vegetarier ist, zeigt die altbekannte Geschichte um Kain und Abel. Wir erinnern uns: Die beiden Jungs wollten ihrem Gott ein Opfer bringen. Kain opferte als Bauer die Früchte seines Feldes und Abel als Hirte einen Erstling aus seiner Herde. Beide freuten sich, dem Herrn ihre Zuneigung zeigen zu können. Eine nette Geste, würde man meinen.

Aber dem Herrn gefiel Kains vegetarisches Opfer nicht! Wer opfert seinem Gott schon Früchte? Er war ausgesprochen unzufrieden und säte mit seiner Abweisung gegen Kains Feldfrüchte-Opfer die erste Zwietracht unter der Menschheit (1. Mose 4,5): "Und der Herr sah gnädig an Abel und sein Opfer, aber Kain und sein Opfer sah er nicht gnädig an."

Warum Gott das Blutopfer mehr schätzte als die Früchte vom Feld, bleibt unbeantwortet. War es der süße Wohlgeruch toten Fleisches, den er so gerne mag? (1. Mose 8,21) "Und der Herr roch den lieblichen Geruch."

Die Wertschätzung seiner von ihm erschaffenen Kreatur bleibt die ganze Bibel hindurch hartherzig. Immer wieder ordnet Gott an, wie man mit Opfertieren umzugehen hat. Da heißt es dann lapidar, man solle dem Tier (3. Mose 5,8) "den Kopf abknicken hinter dem Genick und nicht ganz abtrennen" oder (3. Mose 1,4) einem Vogel "seine Flügel einreißen, aber nicht abbrechen".

(5. Mose 12,20): "Wenn du fragst: Ich will Fleisch essen -, weil es dich gelüstet, Fleisch zu essen, so iß Fleisch ganz nach Herzenslust ... so schlachte von deinen Rindern oder Schafen, die dir der Herr gegeben hat ... und iß es in deiner Stadt ganz nach Herzenslust. So wie man Reh oder Hirsch ißt, darfst du es essen; der Reine wie der Unreine dürfen's beide essen."

Auch im neuen Testament ändert sich die Einstellung zu Tieren nicht und etliche Bibelstellen beschreiben, wie Jesus Fisch gegessen oder andern zu essen gegeben hat. Also kann er kein Vegetarier gewesen sein. Da hilft auch die unsinnige Ausrede nicht, Fisch sei kein Fleisch. Der Fisch ist genauso wie alle anderen Kreaturen ein lebendiges Wesen, eingebunden ins weltumspannende Ökosystem.

Besonders vorwitzige Vegetarier behaupten deshalb, mit "Fisch" sei in der Bibel eine vegetarische Spezialität aus dem Osten gemeint, die aus der "Fischpflanze" hergestellt wurde. Dazu passen aber all die Bibelverse nicht, die mit "Fisch" ganz klar das Tier aus dem Wasser meinen (Jh 21,6-9) : "Werft das Netz aus zur Rechten des Bootes (...) Die andern Jünger aber kamen mit dem Boot (...) und zogen das Netz mit den Fischen. Als sie nun ans Land stiegen, sahen sie ein Kohlen- feuer und Fische darauf und Brot."

Jesus aß nicht nur Fisch und Brot. Als Jude hätte er auch niemals auf das vorgeschriebene Passah- lamm verzichtet (Lk 22,11): "Wo ist der Raum, in dem ich das Passahlamm essen kann mit meinen Jüngern?"

Jesus lehnte die Einteilung in reine und unreine Speisen ab (Mk 7,19): "Merkt ihr nicht, dass alles, was von außen in den Menschen hineingeht, ihn nicht unrein machen kann? Denn es geht nicht in sein Herz, sondern in den Bauch, und kommt heraus in die Grube." Damit erklärte er alle Speisen für rein.

Unreine Speisen scheidet der Mensch also, so Jesus, auf natürlichem Weg wieder aus. Nur Worte und Taten können angeblich einen Körper vergiften.

Im Neuen Testament forderte Gott Petrus unmissverständlich auf, Tiere zu schlachten, um sie zu essen. Als er hungrig war, schickte ihm Gott (Apg 10,13) "allerlei vierfüßige und kriechende Tiere der Erde und Vögel des Himmels. Und es geschah eine Stimme zu ihm: Steh auf, Petrus, schlachte und iß!"

Auch Paulus, der wichtigste Autor des Neuen Testaments, predigte in seinen christlichen Urgemeinden (1. Kor 10,25): "Alles, was auf dem Fleischmarkt verkauft wird, das esst, und forscht nicht nach, damit ihr das Gewissen nicht beschwert."

Paulus hielt Vegetarier sogar für schwache Menschen (Röm 14,2-3): "Wer aber schwach ist, der isst kein Fleisch." Er warnte aber auch davor, sie zu verurteilen: "Wer isst, der verachte den nicht, der nicht isst; und wer nicht isst, der richte den nicht, der isst."

Paulus war darauf bedacht, dass die zwei Parteien sich gegenseitig respektierten (Röm 14,20-21): "Es ist zwar alles rein; aber es ist nicht gut für den, der es mit schlechtem Gewissen isst. Es ist besser, du isst kein Fleisch und trinkst keinen Wein und tust nichts, woran sich dein Bruder stößt."

Natürlich finden wir unter den vielen Bibelschreibern auch den einen oder anderen, der vorschlug, auf fleischliche Nahrung zu verzichten. Der Prophet Daniel zum Beispiel meinte, Vegetarier seien gesünder als Fleischesser (Dan 1,12): "Versuch's doch mit deinen Knechten zehn Tage und lass uns Gemüse zu essen und Wasser zu trinken geben."

Der Prophet Jesaja schrieb einen leicht missverständlichen Vers, den Vegetarier gern zitieren (Jes 66,3): "Wer einen Stier schlachtet, gleicht dem, der einen Mann erschlägt; wer ein Schaf opfert, gleicht dem, der einem Hund das Genick bricht." Nur wer weiter liest, merkt, dass Jesaja damit nicht den Vegetarismus predigte, sondern jene verurteilte, die sich anmaßten (Jes 66,1) "selbsterwählte Gottes- dienste" abzuhalten, also ohne dem Segen der Hohe Priester zu opfern. (Opfergaben waren ja die Einnahme- quelle der Priesterschaft. Diese wollten sie sich nicht nehmen lassen.)

Eine etwas andere Interpreation bietet sich an, wenn man Jesaja 66,3 in der Version der Zürcher Bibel (Copyright 1942) liest (Die Hinzufügungen in Klammern gehören mit zum Text): "Wer ein Rind schlachtet [und zugleich] einen Menschen tötet, wer ein Schaf opfert [und zugleich] einen Hund erwürgt, wer Speisopfer darbringt [und zugleich] Schweineblut spendet, gleicht dem, der Götzen verehrt."

Diese Bibelstelle richtet sich in Wirklichkeit nicht gegen das Stier- oder Schafsopfer, sondern gegen Israeliten, die neben dem Stier- und Schafsopfer zugleich Menschen- und Hundsopfer praktizierten,- d.h. die neben dem Jahwekult auch kananäische Kultpraktiken ausübten, was damals durchaus üblich war (Wobei man die alttestamentlichen Berichte über solche Kulte - so auch die Nachrichten über die Kinderopfer an Moloch - mit Vorsicht genießen muss.).

Jesaja war also mit Sicherheit kein Freund der Tierschützer. An etlichen Stelle rühmte er immer wieder blutige Opfergaben (Jes 34,6): "Des Herrn Schwert ist voll Blut und trieft von Fett, vom Blut der Lämmer und Böcke, vom Nierenfett der Widder. Denn der Herr hält ein Schlachten in Bozra und ein großes Opfer im Lande Edom."

Auch außerhalb der Bibel ging der Streit ums Fleisch essen weiter und in der endlosen Reihe christlicher Gelehrter haben sich immer wieder Befürworter des Vegetarismus' hervorgetan. Kirchenvater Eusebius (um 300 n. Chr.) zum Beispiel soll selber "niemals Fleischkost genossen" (Kirchengeschichte II., 2, 3) haben.

Trotzdem sind die christlichen Fleischesser weit in der Überzahl und in der offiziellen kirchlichen Tradition ist der Fleischkonsum immer gutgeheißen worden. Auf der Synode von Ancyra (314 n. Chr.) erging sogar ein Berufsverbot für Priester und Diakone, die Vegetarier waren - sie galten als Irrlehrer.

Im allgemeinen Verständnis der Kirchen findet man bis heute keine besondere Achtung vor der Kreatur Tier. Wenn Papst Johannes Paul II 1985 in einer Rede vor Biologen sagte, dass "es gewiss ist, dass Tiere zum Nutzen des Menschen geschaffen wurde und sie somit auch für Experimente benutzt werden können", ist es nicht verwunderlich, dass Christen Schwierigkeiten mit dem Thema Vegetarismus contra Fleischessen in der Bibel haben.

In der evangelischen Kirche ist es nicht besser. Im neuen Evangelischen Erwachsenenkathechismus spielen die Tiere nicht einmal eine Rolle. Auf den fast 900 Seiten steht kein Wort über Tierhaltung, Tierhandel, Verzehr von Tieren, Tiertransporte, Tier- versuche, Jagd usw.

Soll also jeder nach seiner Fasson satt werden und den anderen respektieren. Leider halten sich Vegetarier oft für die friedlicheren Menschen und wähnen die Ursachen allen irdischen Übels im Fleischverzehr.

Schon der Kirchenvater Basilius der Große (329-379) schrieb "Die Dünste der Fleischspeisen verdunkeln das Licht des Geistes" und glaubte, Aggression und Kriegslust im Fleischkonsum zu finden.

Wissen Sie übrigens, dass Adolf Hitler lange Zeit vegetarisch gelebt hat (ab 1930), nicht aus ideologischen sondern medizinischen Gründen? Leider hat ihn das nicht friedlicher gemacht.

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©Johannes Maria Lehner
 
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