Der Apostel Paulus |
Nicht Jesus, sondern der Apostel Paulus wird - allgemein anerkannt - für den Gründer des Christentums gehalten. Auf die Idee, sich von den strengen Gesetzen Moses' weiter abzusondern und eine eigene Glaubens- gemeinschaft zu gründen, kamen Männer also erst Jahrzehnte nach Jesus' Tod. An vorderster Front stand ein umtriebiger Rabbi namens Paulus, über den in unserer Bibel die Apostelgeschichte berichtet. Von Paulus (ehemals Saulus) stammen zudem dreizehn, bzw. vierzehn Briefe (Der Autor des Hebräerbriefes ist umstritten.), die etwa ein Drittel des Neuen Testaments ausmachen. Als Saulus erfuhr er eines Tages auf dem Weg nach Damaskus seine Bekehrung. Ein Licht vom Himmel umstrahlte ihn und Jesus' Stimme soll gesprochen haben (Apg 9,4): "Saul, Saul, was verfolgst du mich?" Das allein reichte, um Saulus umgehend für den christlichen Glauben zu gewinnen. In der Apostelgeschichte wird dieses Ereignis gleich dreimal beschrieben. Und dreimal anders. Paulus selbst beteuert immer wieder, das Evangelium von keinem Menschen gehört zu haben, sondern direkt vom Herrn berufen worden zu sein (Gal 1,12). Paulus war also bei keinen Jesus- ereignissen zugegen und hatte keine glaubwürdigen Zeitzeugen gesprochen. Hatte er sich vielleicht alles nur ausgedacht? ("... direkt vom Herrn berufen.") Aus dem leidenschaftlichen Christenhasser Saulus wurde nach seiner Erleuchtung Paulus, der feurigste Verkünder des Evangeliums und Gründer von Christengemeinden. In Synagogen und auf Marktplätzen predigte er sein Christentum und überhöhte nach und nach die Weltuntergangslehre Jesu zu einem geheimnisvollen Erlöserkult. In 30 Jahren soll Paulus 20.000 Meilen zurückgelegt haben. Er sprach und lehrte überall und hielt den ständigen Kontakt zwischen den Gemeinden aufrecht. In der Theologie herrscht weit- gehende Einigkeit darüber, dass Paulus der eigentliche Religions- gründer war. Der Bibelkundler Hyam Maccoby hält in seinem Buch "Paulus, nicht Jesus" für "den Stifter des Christentums als einer neuen Religion, die sich vom normalen Judaismus (...) fortentwickelte." Das würde bedeuten, dass Paulus der erste Christ war, während alle anderen vor ihm jüdische Sektierer gewesen waren. Dennoch bleibt ein großes Frage- zeichen. Warum hat außerhalb der religiösen Welt niemand Notiz von dieser angeblich überragenden Persönlichkeit und ihrer Taten genommen? Keinem römischen oder griechischen Chronisten ist Paulus' Existenz eine Silbe wert gewesen, trotz dessen angeblich umfangreichen Reisetätigkeit. Man hält ihn heute trotzdem für eine historische Person, obwohl die einzigen Quellen die Apostelgeschichte und Paulus' eigene, oft wider- sprüchliche Briefe sind. Selbst die katholische Theologie hält einige davon für Fälschungen, zum Beispiel den Hebräerbrief, die Briefe an Timotheus und den Brief an Titus.
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So sind Thesen über einen nicht existierenden Paulus, wie sie zum Beispiel der evangelische Pfarrer Hermann Detering in seinem Buch "Der gefälschte Paulus" veröffentlicht, nicht von der Hand zu weisen. Detering mutmaßt, dass die Paulusbriefe viel später und von ganz anderen Männern geschrieben sein könnten und dass die Apostel- geschichte erst im 2. Jahrhundert verfasst wurde. Wer Paulus´ Gott nicht anerkennen wollte, dem offenbarte er sich als unerbittlicher Dogmatiker (1. Kor 16,22): "Wenn jemand den Herrn nicht lieb hat, der sei verflucht." Ein paar Zeilen später konnte er im gleichen Brief wie ein alle Menschen liebender Engel weiterschreiben (1. Kor 16, 24): "Meine Liebe ist mit euch allen in Christus Jesus." Paulus schloss auch Gewalt als Mittel zur Durchsetzung religiöser Ziele nicht aus (Hebr 9,22): "Ohne Blutvergießen geschieht keine Vergebung." Für den deutschen Philosophen Friedrich Nietzsche war Paulus zwar ebenfalls der "Erfinder der Christenheit", aber er unterstellte ihm: "Er erfand sich eine Geschichte des ersten Christentums. Mehr noch: er fälschte die Geschichte Israels nochmals um, um als Vorgeschichte für seine Tat zu gelten (...) Sein Bedürfnis war die Macht." Nietzsche war so voller Ekel gegenüber Paulus, dass er empfahl, "Handschuhe anzuziehen, wenn man das Neue Testament liest." Paulus' Briefe liegen zeitlich näher an der Jesus-Geschichte als die Evangelien. Man sollte also meinen, von Paulus endlich verlässlich darüber informiert zu werden, was damals wirklich vorgefallen war. Leider hoffen wir vergebens, denn wichtige Ereignisse aus den Evangelien werden bei ihm nicht einmal erwähnt. Kein Wort erfahren wir über den Verrat von Judas Iskariot, über Mutter Maria, die Frauen vor dem leeren Grab und andere bedeutsame Begebenheiten. Paulus kümmerte sich nämlich in geradezu verdächtiger Weise nicht um den biografischen Jesus. An keiner Stelle berichtete er verbindlich über ihn oder dessen Zeitgenossen und Wegbegleiter. Weder nannte er Fakten und Daten, noch interessierte er sich für seinen Lebenslauf. "Nur ein toter Jesus war für ihn ein guter Jesus", schrieb Rudolf Augstein in seinem Jesus-Buch. Paulus brachte als erster die Askese ins Christentum. Er hielt den Leib für den Sitz der Sünde und ließ wenig Gutes an ihm (1. Kor 9,27): "Ich bezwinge meinen Leib und zähme ihn, damit ich nicht andern predige und selbst verwerflich werde." Sein Hass auf Körper und Sinnlichkeit drang tief in seine Schriften hinein. Materiellem Besitz hingegen war er nicht abgeneigt. Jedenfalls sah er das Thema Armut und Reichtum anders als es sein Jesus getan hatte. Zwar schimpfte er gern über die Geldgier der anderen, war aber selber der Ansicht (2. Thess 3,10): "Wer nicht arbeiten will, der soll auch nicht essen." Jesus hatte noch von den Vögeln geschwärmt, die nicht säen und nicht ernten und trotzdem von Gott genährt werden. |
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©Johannes Maria Lehner |
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