Frage      Herodes Kindermord
Wie so vieles in der Bibel, ist auch der dem König Herodes nachgesagte Mord an allen Knaben, (Mt 2,16) "die zweijährig und darunter waren", nur eine Sonntagsschulgeschichte ohne historischen Beleg. Die grausame Tat, die übrigens nur im Matthäusevangelium (Mt 2) erzählt wird, hat Herodes' Zeitgenossen anscheinend nicht sehr beeindruckt.

Jedenfalls erwähnen sie diese in keiner Niederschrift. Nicht einmal der Historiker Flavius Josephus hat von dem Ereignis Notiz genommen, obwohl er die Regierungszeit Herodes' und dessen Grausamkeit ausführlich beschrieben hat.

Warum auch hätte Herodes diesen Kindermord in Auftrag geben sollen? Seit Jahrhunderten kursierten Prophezeiungen über einen künftigen König der Juden, der die Feinde besiegen und die alten Machtver- hältnisse wiederherstellen sollte. Es ist kaum anzunehmen, dass sich Herodes ausgerechnet jetzt davon beein- drucken ließ. Zu lange waren solche Gerüchte im Umlauf, als dass sie ihn hätten beunruhigen können. Zudem saß er politisch fest im Sattel. Niemand sägte an seinem Thron und seine Beziehungen zu Rom waren gut.

Auch Markus, Lukas und Johannes erwähnen in ihren Evangelien nichts

dergleichen. Dabei wäre eine solche barbarische Tat, die wochen-, oder vielleicht sogar monatelang hätte dauern müssen, mit Sicherheit nicht unbeachtet geblieben.

Andererseits erkennen wir zwischen den Bibelzeilen vom königlichen Kindermord die Absicht der Schreiber, das Kommen ihres himmlischen Königs geheimnisumwittert und eindrucksvoll mit einer brutalen Schandtat des Feindes anzukündigen.

Natürlich gelingt es dem kindlichen Helden (Jesus), seinen Feinden zu entwischen. Schon einmal war mit Mose ein biblischer Retter im Babyalter seinen Feinden entkommen.

Die ganze Erzählung ist ein altes Bild religiöser Geschichtsschreibung. Wir kennen das auch aus Legenden um andere Gestalten des Altertums wie Sargon II., Akkad, Kyros dem Großen, Perseus und sogar vom römischen Kaiser Augustus. Sie alle wurden schon im Kindesalter von ihren Feinden verfolgt.

Der Kindermord von Bethlehem wird einhellig als nicht historisch gewertet. Trotzdem gedenkt die katholische Kirche jedes Jahr am 28. Dezember mit dem "Fest der unschuldigen Kinder" den kleinen "Erstlings- märtyrern".

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©Johannes Maria Lehner
 
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